Jeder ist anders
Ich kenne viele Nicht-Patienten und Nicht-Angehörige, die es toll finden wie Patienten deren Leid ertragen. Die sind voller Respekt über den Mut und die Kraft der Betroffenen.
Aber ich erwische auch einige, die ihre Nase rümpfen, wenn ein Patient laut jammert und vor Angst in Panik und unrealistische Gedanken verfällt.
Jeder Mensch ist anders.
Jeder Mensch verarbeitet seine Erlebnisse auf seine Weise.
Jeder geht mit Angst und Verzweiflung anders um.
Und das ist vollkommen in Ordnung so!
Wir Betroffene und Partner sind die einzigen, die diese Gefühle nachvollziehen und verstehen können. Wir verstehen, dass jeder anders und auf seine ganz eigene Weise reagiert und diese verarbeitet.
Das heißt überhaupt nicht, dass jemand, der nach außen hin stark und mutig, zielstrebig und mit einem Lächeln seine Chemo, Bestrahlung und Angst vor dem Rezidiv abtut, nicht die gleiche Unterstützung und Gesprächspartner braucht.
Im Gegenteil:
Menschen, die ihre Gefühle verbergen sind eher wie tickende Zeitbomben. Das soziale Umfeld hat den Eindruck, dass der Mensch alles im Griff hat und behandelt ihn „normal“. Das ist zwar gut und schön, aber wenn die Bombe hoch geht, hat dieses Umfeld nicht gelernt damit umzugehen und dem Betroffenen ausreichend zur Seite stehen.
Menschen, die Ihr Herz auf der Zunge tragen, werden oft belächelt oder gar verachtet.
Aber genau die machen es allen anderen leicht. Man weiß genau, wie es um sie steht und kann sich adäquat verhalten. Das ist doch toll!
Es mag sein, dass es einem fürchterlich auf die Nerven geht, wenn der Betroffene immerzu jammert und klagt. Manchmal ist das auch nur schwer auszuhalten. Manchmal fängt man auch als Partner oder Freund an, dem Betroffenen maßlose Übertreibung, Effekthascherei oder Geltungssucht zu unterstellen.
Vielleicht haben die sogar Recht!
Na und?
Es ist doch völlig egal, WARUM der Betroffene jammert, stöhnt oder aufgesetzt lächelt oder sich in den Fokus setzt. Irgend etwas ist in jedem Fall nicht im Gleichgewicht und will harmonisiert werden.
Und bei Betroffenen ist GAR NICHTS im Gleichgewicht!
Ich hole die Menschen immer von deren Gefühlsstand ab. Ich lasse sie reden, erzählen, weinen, lachen, wütend sein, verzweifelt und was auch immer passiert.
Es ist immer und bei jedem in Ordnung!
Sie öffnen das Tor zu ihrer Seele, die verletzt am Boden liegt.
Und wir – ob betroffen oder nicht – haben uns verdammt noch einmal nicht darüber zu mokieren, WIE der Mensch sich äußert, sondern haben die Seele aufzuheben, versuchen zu heilen und zu beschützen.
Das kann jeder auf seine Weise.
Es hilft - und dem Betroffenen geht es ein Stück besser.